Jugendsommerfahrt 2008

auf Elbe und Havel

ein Fahrtenbericht von Atilla Wohllebe

Als sich am 27. Juli 2008 insgesamt 12 Paddler auf den Weg zur Jugendsommertour machen wollten, rechnete aufgrund des traurigen Abschieds von Lars, der nun für ein Jahr in Norwegen die Schulbank drücken würde, wohl noch niemand mit einer derart fantastischen Tour. Bei gefühlten 35°C im Schatten ging es dann doch pünktlich zur festgelegten X-Zeit los und der voll beladene Ford Escort von Patrick und Jörgs Bus mit Hänger (gefahren von Petra) machten sich auf den Weg nach Magdeburg. Während Techno, Rammstein und das Hörspiel von Arane angesagt waren, kam es zu kleineren Verstößen gegen die StVO (eine kleine Geschwindigkeitsüberschreitung), wobei das Punktesystem selbstverständlich nicht griff.

Gruppenbild
Jugendsommerfahrt 2008: Gruppenbild

Nach etwa 4 Stunden Fahrzeit gingen wir noch vor der ersten Paddeletappe an der Einsatzstelle des KC Börde Magdeburg in dem Altarm der Elbe baden. Da die Elbe und auch der Altarm mega Niedrigwasser hatten, mussten einige von uns auf den ersten Metern ihre Eskis teilweise treideln um Richtung Elbe zu gelangen. Die Elbe selbst strömte aber sehr gut und wir waren nach 3,5 Stunden inklusive einer kleinen Pause um 19 Uhr in Rogätz, unserem heutigen Tagesziel. Trotz riesiger Bemühungen Petras, uns den Zugang zu den Sanitäranlagen beim SV Concordia Rogätz e.V. zu ermöglichen, musste nach der ersten Nacht die Morgentoilette ausfallen.

Das komplette Gegenteil bot sich uns nach weiteren 38 km am zweiten Tag in Tangermünde. Auch wenn wir für eine ganze Nacht das Wort "Roll-Arsch" in allen Deklinationen aus unserem Gedächtnis streichen mussten, genossen wir das Duschen ohne jede Einschränkung. Eine zweistöckige nagelneue im Vergleich zum Vorabend Luxus-Herberge und ein Kulturprogramm mit Petra. Nach etwa 2 Minuten völlig gestellter Begeisterung über ein Stadttor hatte sich der Kultur-Part damit für die gesamte Tour erledigt. Außerdem beobachteten wir einem Rennhund, der wie besenkt über die Straße hetzte. Dann ging es ganz klassisch natürlich, wie es sich für den IWW so zu gehören scheint, mit 12 Leuten in einen Coop, der dann direkt mal komplett auf den Kopf gestellt wurde. Das Personal erhielt nach einem von Jan durchgeführten Fotoshooting im Kassenbereich die verantwortungsvolle Aufgabe, einige Blumen, die als Geburtstagsstrauß für meine Mutter herhalten mussten, neu zu sortieren.

Der dritte Tag brachte zumindest kulturell keine neuen Highlights. Landschaftlich kamen wir jedoch alle voll auf unsere Kosten. Kurz vor dem Schleusen in die Havel war erstmal eine von vielen Pausen auf einem Elbstrand angesagt. Strände gibt es an der Elbe bei diesem Wasserstand alle paar Meter: weißer Sand, sanfte Wellen, 12 Kajaks und eine Meute verschlafen-hungriger Paddler. Zu den Stränden später mehr... Nach 38 km, davon etwa 35 km auf der Elbe und 3 km auf der Havel erreichten wir unser Quartier: den Havelberger WSV e.V.. Nach einer Runde spazieren gehen und Plantschen an einer Badestelle mit sanftmütiger Schwanenfamilie fielen nach dem Abendbrot alle mehr oder minder erschöpft ins Bett.

Abendessen
Jugendsommerfahrt 2008: Abendessen

Der vierte Tag brach im Vergleich zu dem, was uns die folgenden Stunden noch bescheren sollten, eher unspektakulär an. Auf Empfehlung hieß unsere nächste Haltestelle "Gahlberg Mühle", die wir nach 17 km gemütlicher Paddeltour auf jetzt überwiegend stehendem Wasser erreichen sollten. Nach dem Anlanden erfolgte die wohl schlimmste halbe Stunde in Neeles und meinem Leben. Dem Rest der Gruppe schien der Ort auf Anhieb sympathisch zu sein. Wir waren in einer Art Kommune gelandet. Einem chaotischen Durcheinander, einer Ansammlung verrückter Menschen, die hier zusammen hausten: Künstler und Künstlerinnen. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich eine Malerin als früherer Maler... Aber gut, jedem das Seine, denn nach einer halben Stunden Eingewöhnungszeit und einem Kampf mit den Insekten der Umgebung fühlten sich alle pudelwohl! Der/die Maler/in entpuppte sich als absolut freundlicher Mensch, der Hausherr als ein wenig durchgeknallter Zeitgenosse und ein Aufenthaltsraum als toller Konzertsaal mit einem Klavier, welches Ole, Till, Jolena und ich natürlich sofort begeistert ausprobierten. Zugegeben, das Musikinstrument war alles andere als gestimmt und unsere Spielkünste absolut unterirdisch.

Mitten auf der großen Zeltkoppel thronte ein Storchennest, welches sogar mit fünf Adebars besetzt war, die uns ihre Klapper- und Flugkünste präsentierten. Außerdem hausten neben einem Hexenhäuschen mit passendem Ofen die Brieftauben unseres Gastgebers. Hinter dem Haus befand sich der Garten wo Tomaten, Pfirsiche und Weintrauben wuchsen. Zum Frühstück erhielten wir eine frische Kostprobe gratis. Zusammen mit dem Klavier und einem Lagerfeuer verbrachte ich hier die wohl "geilsten" 12 Stunden meines Lebens, sofern ich das Wort "geil" in solch einem Text überhaupt benutzen darf. Um nun aber noch ein wenig auf die Eigenarten dieses idyllischen Ortes einzugehen: Die Dusche (bzw. eine angedeutete Vorrichtung in der Wand) wurde von uns allen nicht genutzt. Wir bewiesen echten Gruppenzusammenhalt, als wir am nächsten Morgen ungeduscht und zum Teil auch ungewaschen aufbrachen. Was nicht zuletzt auch an der frühen X-Zeit gelegen haben könnte...

Für alle, die mal zufällig ein GPS dabei haben und in der Nähe von Potsdam sind (das nächste Kaff ist 2 km Luftlinie entfernt): Dieser einmalige, unvergleichbare und außergewöhnliche Ort mitten im Nirgendwo befindet sich auf den Koordinaten N 52° 44' 43.50" , E 12° 13' 18.45" an einem unter Naturschutz stehenden See mit einigen romantische Plätzchen zum Nachdenken und Kuscheln. Und das nächste Kaff ist 2 km Luftlinie entfernt. Doch auch solch ein Highlight geht mal vorüber und so brachen wir am fünften Tag zum Rathenower WSV Kanu 1922 e.V. auf.

...auf Tour
Jugendsommerfahrt 2008: ...auf Tour

Dieser 27 km lange Trip lässt sich ungefähr mit einem Sprung von Schotten nach Paris vergleichen, nur dass sich in diesem Falle laut Karte noch vier Schleusen dazwischen befinden. Die erste von zwei Kahnschleusen auf der Gülper Havel, in die pro Schleusengang ganze sechs Eskis passen bediente ich natürlich mit Vergnügen. Bei der zweiten Kahnschleuse konnten wir cheaten und uns zwischen fehlenden Brettern im abgesoffenen Wehrbereich unter einer Latte durch schlängeln. Bis auf eine kleine Pfütze in Patricks Boot hat das super funktioniert.

Rathenow war im Gegensatz zu Gahlberg Mühle nicht so besonders, doch sollte uns bereits am nächsten Tag nach weiteren 26 km die nächste ungewöhnliche Begebenheit erwarten. Ich meine damit nicht etwa meinen "Traumstrand", der natürlich dennoch nicht unerwähnt bleiben darf. An diesem Tag zerrte es an unseren Nerven, da wir erst 3 km nach der geplanten Pause eine Gelegenheit hierfür fanden. Wir waren also mittelmäßig verzweifelt. Ramon und ich hatten nach einer halben Stunde Sprint den Platz ausgemacht. Während ich leicht überheblich dem Rest der Truppe von einem tollen Sandstrand vorschwärmte schien Ramon etwas pessimistisch.

Der Strand war fünf Meter breit. Wir lagen eine gute halbe Stunde auf einen Gemisch aus Steinen, Sand und Bauschutt, lauschten dem Baulärm und einer Schrottpresse. Offenbar gefiel der Strand niemandem so richtig, aber gut, was sein muss, muss sein! Jan ließ mich schließlich beim Einsetzen zur Weiterfahrt noch wissen: "Wenn da in drei Kilometern ein richtiger Sandstrand kommt, dann schrei' ich." Nun, nach haargenau 3 Kilometern kam eine Badestelle: circa 80 m lang, 10 m breit, klares Wasser, mit Schatten und allem drum und dran. Nach dem Aufschrei Jans folgte noch eine vernünftige Badepause bei der es lecker blaue M & Ms gab (diese verbessern angeblich die Chancen auf erfolgreiche Durchführung einer Familienplanung) und die Fahrt konnte weiter gehen.

Unser heutiges Ziel war nämlich ein Campingplatz in Kützkow. Und wer nun meint, wir landen in einem Dorf, der hat sich gewaltig vertan: Kützkow besteht aus dem eben besagten Campingplatz und einer Fähre. In Kützkow gibt es sonst nichts, nicht einmal eine Einkaufsmöglichkeit. Nach der Ankunft verwies man uns zum Einkaufen nach Norden ins 1 km entfernte Pritzerbe.

Ich ging von einem Supermarkt aus, als Petra, Patrick und ich uns auf den Weg machten, doch weit gefehlt. Zuerst ein Campingplatz voll mit Dauercampern, wie sie im Buche stehen: mit einem eigenartigen Dialekt, misstrauischen Blicken und dem zugehörigen Verhalten eben. Und dann erwartete uns DER Laden... Es war nicht irgendein Laden, nein, Petra betonte immer wieder explizit: DER Laden ist dort drüben. Wie ich später mit Google Earth ausgemessen habe, war es der einzige Laden auf ca. 15 kmē. Auf ca. 30mē gibt es dort alles, was das Ossi-Herz begehrt. Die Zeit schien hier im gesamten Dorf stehen geblieben, Entwicklung und Wende scheinen hier noch Fremdwort zu sein. Eine ältere Dame gekleidet im Tante-Emma-Stil hinterm Tresen beginnt mit unserer Einkehr eifrig, jede Menge Dinge zu notieren. Nach circa 20 Minuten verschwinden wir mit unserem Großeinkauf, den wir, offenbar zur Überraschung von Tante Emma, nicht mit Lebensmittelmarken, sondern mit Euros bezahlen. Und um noch einige Worte zu den Campern zu sagen: Sie waren zwar komisch, ungewöhnlich, aber doch irgendwie freundlich und hilfsbereit - nur in Gahlberg Mühle hab ich mich wohler gefühlt.

Nach einem atemberaubenden Lichtschauspiel und einer Soundkulisse, die uns der Abendhimmel bot, schliefen wir alle glücklich im Dauerregen ein. Der nächste und leider auch letzte Paddel-Tag brachte das erste Mal eine Neuerung beim Aufstehen: Bis jetzt waren wir IMMER um 7:30 Uhr pünktlich auf dem Wasser gewesen. Der Dauerregen machte nun ein Ausschlafen möglich: Bei etwa 8.45 Uhr lag die heutige X-Zeit. Wir kamen, nachdem Ylva und ich einen Crash-Kurs im Kartenlesen erhalten hatten alle gesund und munter beim BKV Freie Wasserfahrer 1925 e.V. in Brandenburg an.

Während der gesamten Tour verloren wir einen halben Fingernagel (Inken), ein Paar Sandalen (Paul) und gewannen unter anderem einige Schnitte in den Füßen (Ylva und Jan). Die Rückfahrt startete Jans Navi am nächsten Tag mit den Worten "Dem Straßenverlauf 28 km folgen" und führte uns querbeet über alte Ossipisten aber zumindest Richtung Norden.

Bevor ich nun zum Ende komme, noch einige Anmerkungen...

Im Namen aller jugendlichen Teilnehmer möchte ich mich nun noch bei Petra, Jan und Patrick bedanken: Vielen Dank für solch eine fantastische Tour, vielen Dank für 8 wunderschöne Tage, vielen Dank für den liebevollen Umgang, vielen Dank für die tollen Erfahrungen, die wir alle sammeln durften und vor allem für das Verständnis, dass ihr drei sicherlich des Öfteren mal für uns aufbringen musstet.

Ich glaube, auf dieser Welt gibt es keinen besseren Verein als den IWW und bedanke mich an dieser Stelle nach 11 Monaten Paddeln für die tolle Aufnahme und die Freude, die mir das Paddeln mit euch allen immer wieder bringt!


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